Ich bin mit Irmgard von “Wildes Brot” in eine mir unbekannte Welt gereist – die des Backens mit Sauerteig. Und zwar NUR mit Sauerteig, ohne zusätzliche Hefe.
Brot backen ohne Hefe – also nur mit Sauerteig – ist quasi Champions League. Kein Wunder, dass ich daran regelmäßig gescheitert bin, denn in Sachen Brot agiere ich eher auf Kreisklassenniveau. Es fängt schon damit an, dass mir der Sauerteig von Frau Küchenlatein (bei ihr jahrzehntelang im Einsatz und mir freundlicherweise zugeschickt) im Kühlschrank verhungerte. Und auch Lievito Madre, hergestellt aus einer Art “Starterkultur” von Bongu, verschied nach nicht allzulanger Zeit. Dabei mochte ich letzteren echt gern, schön mild, und er gibt hellen Gebäcken wie Hefezopf ungeahnte Tiefe.
Wobei ich auch zu LM-Zeiten nicht auf zusätzliche Hefe verzichtete. “Schisser-Hefe” nennt Irmgard Rose-Natzschka das augenzwinkernd. Sie betreibt seit fast zehn Jahren den Blog Wildes Brot, auf den ich quasi zufällig stieß, als ich die Aufschrift auf einem Auto sah. Direkt neben dem Haus meiner besten Freundin! Ich sprach Irmgard einfach mal auf ihren Blog an und wir vereinbarten eine “Nachhilfestunde” für mich – in ihrem bestens ausgestatteten Backkeller, in dem gleich zwei Ankarsrum-Kneter, Getreidemühle, Gärautomat, Manz-Steinbackofen und -zig Mehlbehälter stehen. Brotbacken ohne Industriehefe geht aber auch ohne Spezialausstattung, versicherte mir Irmgard.
Was es allerdings braucht: Triebstarken Sauerteig. Irmgard nutzt ausschließlich eher festen Fermentstarter, basierend auf Dinkelmehl und geführt als milde, säurearme Lievito Madre. Ein kleines Glas mit vielleicht 50 Gramm im Kühlschrank reicht ihr. “Man muss nicht dauernd füttern und Auffrischreste produzieren.” Backt Irmgard nicht, “schläft” der Starter auch mal zwei Wochen lang. Steht ein “großer” Backtag an (und das heisst bei ihr durchaus ein Dutzend Brote), wird der Starter halt schon Tage vorher aufgefrischt und mehrfach vermehrt, bis sie mehrere hundert Gramm davon hat.
Vom Hören des Teigs und Fühlen der Gare
Die Back-Nachhilfestunde mit Irmgard (die übrigens auch Kurse gibt) hatte für mich unschätzbaren Wert. Denn Erfahrungswerte aus vielen tausend gebackenen Broten kann auch kein noch so detailliertes Rezept weiter geben. Nämlich wie es sich anhört, wenn fertig gekneteter Teig in der Knetschüssel “schmatzt”. Oder wie man weichen Teig (“Das findest du schon weich?”, wundert sich Irmgard) mit dem “Karnickelgriff” in einem Stück von der Schüssel auf die Arbeitsfläche hievt. Zusammen gebacken haben wir Pain Pailasse (siehe Fotos oben), ein französisches Stangenbrot, dessen Form mich etwas an mein Wurzelbrot erinnerte – aber im Geschmack ganz anders, weil leicht säuerlich und irgendwie “tiefer”. Zuhause habe ich dann allein das Dinkel-Hafer-Buttermilchbrot versucht, weil ich Haferflocken und Buttermilch immer im Vorrat habe – Dinkel allerdings nie. Daher wurde es ein Weizenbrot. Statt “freigeschoben” auf dem Blech / Stein (nächste Königsklasse!), stürzte ich meines in den Eisentopf. Zu groß war meine Angst, dass es sonst zu einem unansehnlichen Fladen breit läuft 😉
Tat es aber nicht, es klappte gut (Foto oben links, rechts das Pain Pailasse) – und schmeckte noch besser. Allerdings bereitete mir die Dauer der Zubereitung schon noch Probleme: Wann fange ich an? Wie lange muss ich noch warten? Ist es jetzt Zeit für…? Entspannung beim Backen geht anders.
Irmgards Tipps & Kniffe fürs Brotbacken
- Teige zunächst ohne Salz gründlich auskneten, damit sich Glutenstränge bilden und festigen. Erst am Ende das Salz langsam einstreuen, weil es sonst die Feuchtigkeit zu früh an sich bindet.
- Löffel, Teigkarte, Finger: Am besten immer mit Wasser anfeuchten, dann bleibt nix (oder zumindest weniger) kleben.
- Arbeitsfläche nicht mit Weizen- oder Dinkel-, sondern immer mit Roggenmehl bestäuben. Das klebt viel weniger.
- Wer keinen Backofen mit Schwaderfunktion hat, füllt am besten ein Emaillegefäß oder kleinen Topf zB mit Kieselsteinen (siehe Kommentar unten). Das ganze Konstrukt mit vorheizen und Wasser draufschütten, sobald das Brot eingeschoben wird.
Mein Fazit zum Thema Backen mit Sauerteig
Ich freu mich echt, dass ich das hingekriegt habe – ein Haferflocken-Buttermilch-Brot ganz ohne weitere zugesetzte Hefe. Es hatte eine wunderbare saftige Krume, nicht zu dicke Kruste, schmeckte wunderbar und hielt sich drei Tage frisch. Ohne Irmgards “Nachhilfestunde” hätte ich mich an das Projekt weder rangetraut noch wäre es von Erfolg gekrönt gewesen! Ein ganz großes “Aber” bleibt für mich allerdings: Brot backen auf diese Art erfordert zwar keine minutiöse Planung, aber weit mehr Organisation als ich sie beim Brotbacken mit Hefe sonst an den Tag legen muss. Und da ich (anders als Irmgard) Industriehefe und Weizen gut vertrage, werde ich vermutlich doch dabei bleiben, Brote mit Sauerteig UND wenig Hefe zu backen. Falls mir der Sauerteig nicht doch wieder wegstirbt 😉
7 Kommentare
Irmgard von Wildes Brot
19. Mai 2025 at 15:48Das Brot ist Dir wunderbar gelungen, mir scheint, Du stellst Dein Licht allzuweit unter den Scheffel…
Und ja, Backen nur mit wilden Hefen fordert ein wenig mehr Planung, hat man die Routinen aber mal intus und den Sauerteig im Training, merkt man das kaum noch.
Solltest Du es tatsächlich schaffen meinen Starter zu „killen“, Du weißt ja, wo Du welchen holen kannst.
Eine kleine Anmerkung: Kiesel sind bedingt geeignet zum Schwaden. Je nach Gesteinsart können die schon mal platzen. Deshalb empfehle ich Lavasteine für den Saunabedarf oder Edelstahlschrauben.
Poupou
25. Mai 2025 at 17:03„Man muss nicht dauernd füttern und Auffrischreste produzieren“ So wahr! Und gut, dass das mal jemand wie du mit ordentlicher Reichweite und Credibility schreibt! Viel Spaß mit dem Sauerteig!
Gabi Frankemölle
26. Mai 2025 at 8:42Dankeschön! Mit dem Satz habe ich ja nur Irmgard zitiert – mich hat das auch verblüfft. Denn irgendwie wird immer etwas anderes vermittelt 😉
Ina
30. Mai 2025 at 8:04Wie klein doch die Welt ist.
Erst neulich dachte ich, daß Ihr beide nahe beieinander wohnt und ich Euch beiden folge.
Ja, auch ich schätze Irmgard sehr und freue mich immer, wenn ich mit ihr Brot backen darf.
Gabi Frankemölle
30. Mai 2025 at 8:49Lustig – und jetzt haben wir uns ohne Hilfe tatsächlich zusammen gefunden 😉 Hast du schon mal ihre Brotbackkurse mitgemacht?
Ina
30. Mai 2025 at 9:07Ja, einige 😉 inzwischen mache ich ihre PA, wenn ich dabei bin. Ist hilfreich, wenn viele Menschen dabei sind und alles wuselt
Irmgard von w-ldes Brot
7. Juni 2025 at 12:20Ihr kennt Euch? Das ist ja witzig! Beim nächsten Besuch versuchen wir ein Treffen hinzukriegen.